geteilte Angst

Die Welt steckt mitten in der Corona Krise. Ich schreibe diesen Text in meiner Wohnung in Wien, die ich nur noch mit einem triftigen Grund verlassen darf. Die Angst vor einem unsichtbaren Feind, „einem Virus, den wir noch nicht kennen“ wie ihn die deutsche Kanzlerin nennt, geht um. Zum ersten Mal erlebe ich als Digital Native, wie meine Altersgruppe gerne genannt wird, dass ich Falschmeldungen aufsitze und ich bin sicher, Ihnen geht es ähnlich. Meldungen die zustande kommen aus einer gefährlichen Mischung aus Halbwissen und Angst. Scheinbare Nachrichten die plausibel klingen, weil Sie im Bereich des Möglichen liegen, in anderen Ländern zutreffend sind oder sich teilweise sogar nach kürzester Zeit bewahrheiten. Nicht weil Sie es von Anfang an waren, sondern weil sich die Situation so schnell verändert und damit auch wieder neue Entscheidungen einhergehen.

Wird die Angst kleiner, wenn wir sie teilen?

Es gibt den Satz: „Geteiltes Leid, ist halbes Leid.“, bezogen auf Angst und Krisensituationen wie diese, ist er aber irreführend – nein, er ist falsch! Dabei ist nicht die Furcht vor einer Infektion und auch nicht das um Rat fragen oder der sachliche Austausch über die aktuelle Situation das Problem, sondern das schnelle teilen und weiterverbreiten von scheinbarem Wissen. Schließlich versetzt es potenziell jeden in Angst, der dieses liest und vielleicht sogar mit guten Absichten weitererzählt. Vor nicht allzu vielen Jahren hätte sich damit eine beunruhigende Meldung, ob nun wahr oder nicht, linear von einem zum anderen weiterverbreitet, geteiltes Leid, wäre also vielleicht doppeltes Leid gewesen. Heute wird es nicht mehr nur weitererzählt, es wird in Chatgruppen oder in Sozialen Netzwerken geteilt und damit um ein Vielfaches stärker verbreitet. Geteilte Angst wird damit zu „potenzierter Angst“.

Warum Tempo in der Kommunikation auch gut ist?

In den allermeisten Fällen ist diese immense Geschwindigkeit, in der wir uns austauschen, vernetzen und gegenseitig informieren können hilfreich und sinnvoll, für meine Altersgruppe ist sie auch gar nicht mehr weg zu denken. Zum Beispiel auch, wenn sich Studenten und Schüler jetzt gerade organisieren, um den Risikogruppen in unserer Gesellschaft unter die Arme zu greifen, für sie einkaufen gehen und so alten Menschen unnötige Kontakte in der Öffentlichkeit ersparen.

Warum die Verunsicherung größer wird?

Zur allgemeinen Gemütslage kann dieser schnelle, nicht ordentlich recherchierte Informationsfluss aber fast nur Verunsicherung beitragen. Wenn selbst ich, der in der digitalen Welt mit all ihren Gefahren und Unsicherheiten groß geworden ist, vor einer Herausforderung steht „Fake News“ zu enttarnen, wie ergeht es da anderen? Wie kann Hysterie besänftigt werden, wenn Boulevard Medien Falschmeldungen nicht nur weiterverbreiten, sondern diese auch dann nicht als „falsch“ kennzeichnen, wenn sie längst von anderen als solche enttarnt wurden? Es funktioniert nur über uns selbst, jede und jeden einzelnen, wir sind es, die es lernen müssen mit dieser Informationsflut richtig umzugehen. Ob Facebook Beitrag oder Gruppenchat, ob Tickermeldung oder im persönlichen Gespräch, wir selbst sind es die entscheiden müssen ob uns ein Inhalt seriös erscheint. Das funktioniert nach meiner eigenen Erfahrung nur durch Entschleunigung und ruhiges Nachdenken.

Was können wir tun?

Besonders in der aktuellen Situation möchte ich Ihnen die drei, in meinen Augen wichtigsten Fragen mitgeben, um Falschmeldungen zu erkennen. Diese können oft ohne zusätzliche Recherche nicht beantwortet werden. Genau das ist der Sinn! Nur in dem wir uns intensiv mit einem Inhalt auseinander setzen, schaffen wir es nüchtern den Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Wer ist der Autor oder Verfasser?

Fragen Sie sich von wem die Nachricht ursprünglich stammt und suchen sie nach z.B. offiziellen Statements von Behörden oder übereinstimmenden (ausführlicheren) Presseberichten.

Wie ist die Nachricht verfasst?

Ist der Schreibstil besonders emotional oder reißerisch, ein Warnsignal, oder werden sachlich Argumente und Fakten gegenübergestellt?

Ist die Information aktuell?

In Krisen Situation wie der aktuellen können sich Entwicklungen sehr schnell verändern. Suchen sie also nach dem Ursprung einer Nachricht und ob es dazu bereits aktuellere Meldungen gibt.

Meine Bitte an Sie, bleiben Sie kritisch und helfen sie mit, die Angst nicht zu potenzieren, sondern sie mit seriösen und wichtigen Informationen zu besiegen. Denn gefährlicher als das Virus selbst, ist nur unsere Panik vor ihm.